Leiterschaft so oder anders: Billy Hybels‘ “Courageous Leadership“ (dt. “Mutig führen“) - Nr. 7 der 10 für mich entscheidenden Bücher
Dieses Buch ist deshalb für mich entscheidend gewesen, weil es eins der ersten Bücher war, was mir eine Leiterschaftstheorie vermittelte. Viele Insights hatte ich bereits durch Coachings erhalten, aber einige Essentials waren nochmal richtig gut zu lesen. Und v.a. konnte ich durch die zeitgleiche Lektüre von Alan Hirschs “The forgotten ways“ zwei weitestgehend gegensätzliche Ansätze miteinander vergleichen - eine Aufgabe, an der ich bis heute nage. Denn während Alan ein sehr dezentrales, bottom-up-Modell von Leiterschaft vermittelt, das - der Anschaulichkeit wegen mal extrem vereinfacht und äußerst polarisiert formuliert - den Leiter gegenüber den ihm Anvertrauten als dienend und hochhebend darstellt, stellt Bill ein an Wirtschafts-prinzipien orientiertes top-down-Modell vor, bei dem die Anvertrauten vielmehr dem Leiter dienen, um seine Vision umzusetzen. So ist es für ihn u.a. selbstverständlich, dass jeder Untergebene, der nicht der Vision dienen kann oder will, sich besser einen anderen Platz sucht.
Wie gesagt, die Gegenüberstellung ist etwas überspitzt, trifft aber den Sachverhalt. Und im Grunde genommen lieben dieses Leitschaftsbild alle, die irgendwie visionär ausgerichtet sind - ich auch :-). Und im Grunde genommen ist das Prinzip ja auch sehr einfach: Ich entwickle eine Vision, und die gilt es nun an den Mann/die Frau zu bringen, um sie dafür zu gewinnen usw. Mehr oder weniger so funktionieren all die Organisationen, bei denen ein charismatischer Leiter/eine charis-matische Leiterin das Sagen hat. Und da ist ja auch prinzipiell nichts Schlechtes dran, wenn man diesem hierarchischen Bild von Kirche zustimmt, bei dem es darum geht, Visionen zu entwickeln zu umzu-setzen. Nur frage ich mich seit einiger Zeit immer wieder, ob das tatsächlich das Ziel von Kirche ist - oder zumindest das Ausschließ-liche. In Dietrich Bonhoeffers Dissertation “Sanctorum Communio“ las ich vor einiger Zeit mal sehr schön, dass er die Kirche in ihrer soziologischen Organisationform weder als reine Gemeinschaft ansieht, bei der das Zusammensein im Mittelpunkt steht, noch die Form der Gesellschaft, bei der ein außenstehendes Ziel Mittelpunkt der soziologischen Form ist, sondern es vielmehr als Mischform um beides geht. Ich glaube, dass er recht damit hat, denn auch Willowcreek (Bill Hybels‘ Gemeinde) musste vor einigen Jahren feststellen, dass ihre Theorie nicht aufgegangen ist, dass Menschen geistlich wachsen, wenn sie nur ordentlich im Aufbau der Gemeinde (als firmen-ähnliche Organisation) mit anpacken. Vielleicht ist Alans Ansatz eine gute Ergänzung/Alternative, aber das gilt es, an anderer Stelle zu klären und v.a. auszuprobieren.
Ich kann an dieser Stelle die Diskussion nicht weiterausführen, nur so viel: Trotz aller Kritik, wie gerade gesehen, halte ich Bills Buch nach wie vor für sehr lesenswert und hilfreich. Denn als Leiter komme ich doch immer wieder an den Punkt, dass ich irgendwie eine Vision streuen und verbreiten muss. Egal, für welche Kirchenform ich mich entscheide, spätestens in der one-on-one-Situation (z.B. im Coaching) gebe ich doch meinem Gegenüber irgendein Feedback, z.B. seine/ihre Persönlichkeitsentwicklung betreffend. Und genau dann hilft es sehr, wenn man ein Bild von dem Gegenüber visionär zeichnen kann, das noch gar nicht da ist, ich aber bereits sehen kann, während mein Gegenüber gerade nicht. Denn das ist ja gerade die Qualität eines visionären Leiters, das er Dinge sieht, die noch nicht da sind. Um für diesen und ähnliche Parts halte ich Bills Buch für ausgesprochen hilfreich und pragmatisch-einfach wie inspirierend geschrieben. Ob man hinter dem dahinterstehenden Kirchenbild steht, ist nochmal eine ganz andere Frage.
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