Lernen von Dietrich Bonhoeffer, Teil 7: Glaube als (k)ein Faktum
Mittlerweile ist es einige Wochen her, daß ich hier gebloggt habe. Der Grund dafür war eine intensive Zeit des Seminararbeiten Schreibens. Besonders die Letzte über Gotteserkenntnis bei Dietrich Bonhoeffer und Abraham Heschel hat mich Zeit und Nerven gekostet, gleichzeitig aber sehr bereichert. Weil ich glaube, daß dieses Thema gerade auch für Kirche im 21. Jahrhundert von grundlegender Bedeutung ist, da es immer wieder Mißverständnisse darüber gibt, inwiefern z.B. die Bibel Gottes Offenbarung ist oder Menschen zum Glauben kommen, möchte ich einige Ergebnisse meiner Arbeit nachfolgend darlegen. Dabei beginne ich zunächst mit Dietrich Bonhoeffer.
Die grundlegende Feststellung meiner Untersuchung war, daß Bonhoeffer und Heschel trotz verschiedener Religionszugehörigkeit ähnliche erkenntnistheoretische Ergebnisse erzielen. Bonhoeffer kommt dem Titel seiner Habilitationsschrift gemäß zu dem Ergebnis, Gott offenbare sich in Akt und in Sein, womit Bonhoeffer die Diskussion seiner Zeit aufnimmt und neu „kombiniert“. Die Dialektische Theologie (vornehmlich Barths) geht davon aus, so Bonhoeffer, daß Gott sich „nur“ im aktuellen Vollzug offenbare, womit nichts weiter gemeint ist als durch Beziehung zum Menschen; der tiefere Sinn dahinter ist der, daß Gott dadurch immer handelndes Subjekt bleibt. Dieser Vorwurf schießt in Richtung der Lutheraner u.a., die davon ausgehen würden, Gott habe sich tatsächlich geoffenbart (Sein) und sei nun in seiner Offenbarung zu beschreiben und theologisch zu deuten - werde damit jedoch zum Objekt des theologisierenden Menschen.
Bonhoeffer überwindet diese vermeintlichen Gegensätze von Akt und Sein durch eine Kopplung der Gottesoffenbarung - in Jesus Christus -, indem er beides an die Kirche bindet. Die Kirche verkörpert für ihn (und ist damit) Christus in der Welt (im Sinne von 1 Kor 14: Kirche als Leib Christi), jeder einzelne Christ ist in Christus und kann deshalb innerhalb des Beziehungsnetzes als Person von außen angesprochen und hinterfragt werden, sei es durch Individuen oder auch die Predigt. Das ist v.a. für das existentielle Betroffensein zur Überwindung des in sich selbst verkrümmten Menschen notwendig.
Durch die Kopplung von Akt und Sein will Bonhoeffer einerseits die Tatsache der Offenbarung Gottes durch die Zeugenschaft des Kollektivs sichern, andererseits die echte Transzendenz Gottes, der sich zwar tatsächlich in Jesus Christus geoffenbart habe, aber ebenso als echtes Gegenüber und damit handelndes Subjekt in der Kirche gegenwärtig sei, und zwar wesentlich durch den einzelnen Gläubigen, der „als Christus“ in das Leben des anderen spricht (die Dimension des Heiligen Geistes oder ähnliches reflektiert er nicht eigens).
Dies hat auch Konsequenzen für die Erkenntnis ebenjener Offenbarung und damit Implikationen für o.g. Problem. Denn ebenso koppelt Bonhoeffer zwei Erkenntniswege an die Kirche. Der eine Weg ist Der der Beziehung und damit des Akt-Vollzugs, den er actus directus nennt. Daß dieser Weg gerade nicht reflektiert oder konkreter beschrieben wird, liegt in der Sache der Natur selbst und würde andernfalls notwendigerweise zum zweiten Erkenntnisweg führen. Weil die Offenbarung Gottes in Jesus Christus eo ipso an die Kirche gebunden ist, kann auch dort nur der actus directus stattfinden, in der konkreten Situation der Offenbarung Gottes, z.B. in Form des Gebets oder es Hören der Predigt. Später, z.B. in der „Nachfolge“ (DBW 4), kann Bonhoeffer diesen Erkenntnisweg auch als „einfältigen Gehorsam“ u.ä. bezeichnen.
Demgegenüber ist der actus reflexus bei Bonhoeffer gerade die Reflexion über eine zuvor geschehene Offenbarung. Sie liegt demzufolge in der Vergangenheit und kann theoretisch auch von Nicht-Christen „bearbeitet“ werden. Weil aber die Möglichkeit des falschen Umgangs gegeben ist (er dürfte hier vornehmlich auf historische Kritik anspielen, auch wenn er diese nicht gänzlich ablehnt), muß sie nach Bonhoeffer ebenso an die Kirche gebunden werden und erhält durch ihre Kopplung an den actus directus eine sog. „Zerbrechlichkeit“, sodaß Gott in seiner Offenbarung nicht vergegenständlicht werden kann. Offenbarung bleibt damit immer an die Zeugenschaft des Kollektivs gebunden, jedoch nur individuell in Beziehung erfahrbar und damit verifizierbar.
Daß Offenbarung tatsächlich stattgefunden hat, ist nach Bonhoeffer damit aber nur durch vorherige Akt-Offenbarung und damit die existentielle Betroffenheit durch Gott in Gebet, Predigt, etc. möglich, weshalb die Erkenntnis der tatsächlich geschehenen Offenbarung als Sein notwendigerweise die Offenbarung als Akt voraussetzt, die per definitionem an die Kirche gebunden ist.
Dies ist für unseren Kontext des 21. Jahrhunderts ebenfalls wichtig, weil die Bibel gern mit „Wort Gottes“ gleichgesetzt wird. Zwar will Bonhoeffer sichergehen, daß Gott sich geoffenbart hat - und die Bibel bezeugt ebendies auf vielschichtige Art und Weise. Wenn wir aber an diesem Punkt Bonhoeffer konsequent folgen, ist doch nur aus dem echten Angesprochenwerden und in Beziehung Stehen zu Jesus Christus die Erkenntnis möglich, daß die Bibel echte Offenbarung von dem einen Gott ist (Akt-Seins-Zusammenhang).
Noch deutlicher formuliert meint dies, daß ich niemandem mit der Autorität der Bibel kommen kann, weil die Erkenntnis über die Autorität als Zeugnis der geschehenen Offenbarung Gottes selbst Teil der konkreten, gegenwärtigen Offenbarung ist, in der Gott mich anspricht und in meinem Innersten trifft. Einem Automatismus, Selbstwirksamkeit der Schrift oder gar einem Buchstabenglauben ist mit Bonhoeffers erkenntnistheoretischem Ansatz damit deutlich zu widersprechen. Die Bibel ist nicht einfach Gottes Wort, sondern sie wird v.a. Gottes Wort, und zwar in dem Augenblick, in dem Er mich durch einen bestimmten Text im Innersten trifft (actus directus). Andernfalls machen wir die Bibel zu einem Gesetzesbuch und werden möglicherweise zu Prinzipienreitern. Gleichzeitig erlaubt die geschehene Offenbarung ein demütiges Reflektieren, um als actus reflexus theologische Rahmenbedingungen und Fundamente zu schaffen.
Die grundlegende Feststellung meiner Untersuchung war, daß Bonhoeffer und Heschel trotz verschiedener Religionszugehörigkeit ähnliche erkenntnistheoretische Ergebnisse erzielen. Bonhoeffer kommt dem Titel seiner Habilitationsschrift gemäß zu dem Ergebnis, Gott offenbare sich in Akt und in Sein, womit Bonhoeffer die Diskussion seiner Zeit aufnimmt und neu „kombiniert“. Die Dialektische Theologie (vornehmlich Barths) geht davon aus, so Bonhoeffer, daß Gott sich „nur“ im aktuellen Vollzug offenbare, womit nichts weiter gemeint ist als durch Beziehung zum Menschen; der tiefere Sinn dahinter ist der, daß Gott dadurch immer handelndes Subjekt bleibt. Dieser Vorwurf schießt in Richtung der Lutheraner u.a., die davon ausgehen würden, Gott habe sich tatsächlich geoffenbart (Sein) und sei nun in seiner Offenbarung zu beschreiben und theologisch zu deuten - werde damit jedoch zum Objekt des theologisierenden Menschen.
Bonhoeffer überwindet diese vermeintlichen Gegensätze von Akt und Sein durch eine Kopplung der Gottesoffenbarung - in Jesus Christus -, indem er beides an die Kirche bindet. Die Kirche verkörpert für ihn (und ist damit) Christus in der Welt (im Sinne von 1 Kor 14: Kirche als Leib Christi), jeder einzelne Christ ist in Christus und kann deshalb innerhalb des Beziehungsnetzes als Person von außen angesprochen und hinterfragt werden, sei es durch Individuen oder auch die Predigt. Das ist v.a. für das existentielle Betroffensein zur Überwindung des in sich selbst verkrümmten Menschen notwendig.
Durch die Kopplung von Akt und Sein will Bonhoeffer einerseits die Tatsache der Offenbarung Gottes durch die Zeugenschaft des Kollektivs sichern, andererseits die echte Transzendenz Gottes, der sich zwar tatsächlich in Jesus Christus geoffenbart habe, aber ebenso als echtes Gegenüber und damit handelndes Subjekt in der Kirche gegenwärtig sei, und zwar wesentlich durch den einzelnen Gläubigen, der „als Christus“ in das Leben des anderen spricht (die Dimension des Heiligen Geistes oder ähnliches reflektiert er nicht eigens).
Dies hat auch Konsequenzen für die Erkenntnis ebenjener Offenbarung und damit Implikationen für o.g. Problem. Denn ebenso koppelt Bonhoeffer zwei Erkenntniswege an die Kirche. Der eine Weg ist Der der Beziehung und damit des Akt-Vollzugs, den er actus directus nennt. Daß dieser Weg gerade nicht reflektiert oder konkreter beschrieben wird, liegt in der Sache der Natur selbst und würde andernfalls notwendigerweise zum zweiten Erkenntnisweg führen. Weil die Offenbarung Gottes in Jesus Christus eo ipso an die Kirche gebunden ist, kann auch dort nur der actus directus stattfinden, in der konkreten Situation der Offenbarung Gottes, z.B. in Form des Gebets oder es Hören der Predigt. Später, z.B. in der „Nachfolge“ (DBW 4), kann Bonhoeffer diesen Erkenntnisweg auch als „einfältigen Gehorsam“ u.ä. bezeichnen.
Demgegenüber ist der actus reflexus bei Bonhoeffer gerade die Reflexion über eine zuvor geschehene Offenbarung. Sie liegt demzufolge in der Vergangenheit und kann theoretisch auch von Nicht-Christen „bearbeitet“ werden. Weil aber die Möglichkeit des falschen Umgangs gegeben ist (er dürfte hier vornehmlich auf historische Kritik anspielen, auch wenn er diese nicht gänzlich ablehnt), muß sie nach Bonhoeffer ebenso an die Kirche gebunden werden und erhält durch ihre Kopplung an den actus directus eine sog. „Zerbrechlichkeit“, sodaß Gott in seiner Offenbarung nicht vergegenständlicht werden kann. Offenbarung bleibt damit immer an die Zeugenschaft des Kollektivs gebunden, jedoch nur individuell in Beziehung erfahrbar und damit verifizierbar.
Daß Offenbarung tatsächlich stattgefunden hat, ist nach Bonhoeffer damit aber nur durch vorherige Akt-Offenbarung und damit die existentielle Betroffenheit durch Gott in Gebet, Predigt, etc. möglich, weshalb die Erkenntnis der tatsächlich geschehenen Offenbarung als Sein notwendigerweise die Offenbarung als Akt voraussetzt, die per definitionem an die Kirche gebunden ist.
Dies ist für unseren Kontext des 21. Jahrhunderts ebenfalls wichtig, weil die Bibel gern mit „Wort Gottes“ gleichgesetzt wird. Zwar will Bonhoeffer sichergehen, daß Gott sich geoffenbart hat - und die Bibel bezeugt ebendies auf vielschichtige Art und Weise. Wenn wir aber an diesem Punkt Bonhoeffer konsequent folgen, ist doch nur aus dem echten Angesprochenwerden und in Beziehung Stehen zu Jesus Christus die Erkenntnis möglich, daß die Bibel echte Offenbarung von dem einen Gott ist (Akt-Seins-Zusammenhang).
Noch deutlicher formuliert meint dies, daß ich niemandem mit der Autorität der Bibel kommen kann, weil die Erkenntnis über die Autorität als Zeugnis der geschehenen Offenbarung Gottes selbst Teil der konkreten, gegenwärtigen Offenbarung ist, in der Gott mich anspricht und in meinem Innersten trifft. Einem Automatismus, Selbstwirksamkeit der Schrift oder gar einem Buchstabenglauben ist mit Bonhoeffers erkenntnistheoretischem Ansatz damit deutlich zu widersprechen. Die Bibel ist nicht einfach Gottes Wort, sondern sie wird v.a. Gottes Wort, und zwar in dem Augenblick, in dem Er mich durch einen bestimmten Text im Innersten trifft (actus directus). Andernfalls machen wir die Bibel zu einem Gesetzesbuch und werden möglicherweise zu Prinzipienreitern. Gleichzeitig erlaubt die geschehene Offenbarung ein demütiges Reflektieren, um als actus reflexus theologische Rahmenbedingungen und Fundamente zu schaffen.
Besonders die Gedanken im letzten Absatz finde ich sehr spannend. Denn das würde ja auch erklären, warum (bzw. nahe legen, dass) Menschen zu dem gleichen Thema aus dem gleichen Glauben heraus und im Dialog mit dem gleichen Gott unterschiedliche Antworten finden können. Eben, weil Gott nicht zu jedem Thema den gleichen Monolog, sondern mit jedem einen zu seiner Person passenden bzw. für seine Situation relevanten Dialog führt ...
AntwortenLöschenLg,
Melanie
Hallo Melanie!
AntwortenLöschenDanke für Deinen Kommentar. Du denkst schon einen Schritt weiter. Ich wollte zunächste einmal sagen, daß es genauso Teil der Offenbarung Gottes ist, daß ich erkenne, daß die Bibel mehr ist als nur ein gewöhnliches Geschichtsbuch. Das kann man objektiv nicht erfassen, sondern nur durch die Offenbarung Gottes (in der Gegenwart des Heiligen Geistes).
Wenn wir uns die Bibel selbst anschauen, kann man sehen, daß ein und dasselbe Ereignis von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich wahrgenommen und beschrieben wurde; man denke nur an die 1. Tempelzerstörung: Jeremia nimmt das Szenario und Gottes Reden mittendrin anders wahr als Ezechiel. Genauso ist es mit den Folter- und Angriffswellen und Antiochos Epiphanes: Daniel schildert es ganz anders als die Makkabäer-Bücher.
Ich würde Dir aber durchaus zustimmen, daß es Dinge gibt, die mal so und mal so richtig sein können, je nach Situation und je nach sich darin befindlichen Personen. Da die richtige Entscheidung zu treffen bedarf natürlich grundsätzlich Weisheit, aber - und das würde den Dialog wieder hervorheben - v.a. ein offenes Ohr für das Flüstern des Heiligen Geistes.
Trifft das so in etwa das, was Du auch sagen wolltest?
Liebe Grüße,
Philipp
Hi Phil,
AntwortenLöschenja, dass es in erster Linie um das Erkennen der Bibel als das Wort Gottes durch göttliche Offenbarung ging, hatte ich verstanden.
Meine Überlegungen waren dann eher als mögliche Konsequenz aus diesem Offenbarungs-Akt gedacht, der sich dann ja im Weiteren nicht nur auf das Verständnis der Bibel an sich, sondern auch auf das einzelner Fragen/Bibeltexte o.ä. beziehen kann.
So in etwa?
Liebe Grüße :)
Melanie
Ja, genauso meinte ich das. Bonhoeffer hat dieses Thema später in seiner Ethik unter dem Stichwort "Verantwortung" bzw. auch "Situation" bearbeitet: In der jeweils konkreten Situation antwortest Du auf den Ruf Christi; dadurch entstehen Entscheidungen aus der Beziehung zu Christus. Bonhoeffer hat mit diesem Ansatz auch seine Entscheidung zum Mitwirken an der Konspiration gegen Hitler begründet: Verantwortung für seine Mitmenschen, die er wiederum aber vor Gott verantworten mußte.
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