Bekenntnis eines Grenzgängers
Dietrich Bonhoeffer war einer.
Abraham Heschel auch.
Rob Bell ist einer.
Und ich fühl mich auch oft so.
Ohne mich annähernd in die gleiche Klasse wie obige Denker einordnen zu wollen, erblicke ich immer mal wieder ein Stückweit von dem Konflikt, den alle drei erlebt haben dürften bzw. noch erleben.
Dietrich Bonhoeffer war ein Grenzgänger, der mehr oder weniger seit seinem Engagement in der Ökumene-Bewegung Anfang der 1930er Jahre und spätestens seit Finkenwalde 1935 in innerer Zerrissenheit stand. Denn einerseits wollte er nach wie vor lutherischer Pfarrer sein, seiner Kirche treu bleiben; er wollte Dinge reformieren, was er nicht zuletzt in Finkenwalde tat und dessen Ideen man in “Gemeinsames Leben“ nachlesen kann; andererseits aber stießen besonders seine “geistliche“ Bibelauslegung und die Forderung nach teuer Gnade (vgl. “Nachfolge“) auf heftigen Widerstand. Selbst innerhalb der Bekennenden Kirche wollte niemand soweit gehen wie Bonhoeffer, weshalb er zeitweise über die Gründung einer Freikirche nachdachte.
Abraham Heschel war ein Grenzgänger, der bereits in spannungsgeladenem Umfeld aufwuchs und sich spätestens als Teenager im inneren Konflikt zwischen dem herzlich-emotional-positiven Chassidismus des Baal Schem Tov und dem eher nachdenklichen, Leid-erprobten Chassidismus des Mendel von Kotzk befand. Dieser innere Konflikt breitete sich seit der Studienzeit aus, als Heschel einen Weg zwischen säkular-philosophischen Studien und seinem jüdisch-konservativen Erbe suchte, und kulminierte aufgrund der Auseinandersetzung mit den Propheten der Bibel in seinem Engagement in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King und im Protest gegen den Vietnamkrieg, während der Großteil seines jüdischen Volkes in dafür belächelte.
Rob Bell steht seit Jahren als Grenzgänger immer wieder im offenen Gefecht, v.a. mit dem evangelikalen Christentum. Denn einerseits fühlt er sich dem amerikanischen Evangelikalismus verpflichtet, ist aber andererseits offen für neue Erkenntnisse aus der historischen Jesus-Forschung und dem jüdisch-hebräischen Hintergrund der Bibel, wodurch er immer wieder mit brisanten Thesen die evangelikale Szene aufmischt.
In ähnlicher Weise fühle ich mich ebenfalls oft als Grenzgänger: Innerhalb eines evangelikalen Umfeldes 22-jährig zum Glauben gekommen, bin ich bis heute dankbar für jeden einzelnen Menschen, der mich auf diesem Weg bis hierhin begleitet und geprägt hat und mir Vorbild gewesen ist. Gleichzeitig muß ich aufgrund intensiver Studien mehr und mehr feststellen, daß vieles von dem nicht mehr so trägt oder der Zeit nicht angemessen ist, was ich bislang geglaubt habe und mir mitgegeben worden ist, sei auf Tagungen, Konferenzen, in Predigten oder persönlichen Gesprächen. Zeitweise stand ich an dem Punkt, daß ich “lediglich“ wußte, daß Jesus auch für mich gestorben und auferstanden war - keine genauere Erläuterung über das Wie oder das Warum von Kreuz und Auferstehung (in der Bibel selbst finden wir ja etliche Erklärungen für Kreuz und Auferstehung Jesu, wovon jede theologische Strömung die eine oder die andere Erklärung mehr in den Vordergrund gestellt hat bzw. noch tut). Vieles war offen, ja mußte offen sein, damit ich neue Fundamente legen konnte; ich brauchte einfach Platz, um manche Dinge mit möglichen Konsequenzen weiterdenken zu dürfen. Vieles davon ist nach wie vor nur angerissen oder noch brüchig, ich bekomme Ideen, wie sich manche Dinge zueinander verhalten könnten; mit der Unsicherheit in vielen Bereichen der Theologie habe ich mittlerweile leben gelernt. Natürlich komme ich auch immer wieder zu dem Punkt, daß “alte“ Erkenntnisse mich doch überzeugen; nur habe ich sie dann für mich durchdacht und nicht einfach nur übernommen.
Eine Folge dabei ist nur, daß ich viele, manchmal platte, Aussagen aus evangelikaler Sicht nicht mehr teilen kann (z.B. die Aussage, die Bibel einfach mit Gottes Wort gleichzusetzen); ebenso komme ich aber auch oft nicht mit dem klar, was aus liberal-protestantischer Sicht von der Kanzel oder vom Katheder gepredigt wird. De facto fühle ich mich beiden Lagern nicht (mehr) zugehörig, wodurch ich mich selten wirklich heimisch fühlen kann.
Gott sei Dank gibt es immer mehr von diesen Menschen, die nicht stehen bleiben wollen, die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen und bereit sind, Opfer zu bringen für theologische Innovation im 21. Jahrhundert. Was mich etwas beruhigt in dieser Sache, ist, daß man die Grenzgänger Bonhoeffer und Heschel heute mehr schätzt denn je, ganz zu schweigen von den Verkaufszahlen der Bücher Rob Bells.
Abraham Heschel auch.
Rob Bell ist einer.
Und ich fühl mich auch oft so.
Ohne mich annähernd in die gleiche Klasse wie obige Denker einordnen zu wollen, erblicke ich immer mal wieder ein Stückweit von dem Konflikt, den alle drei erlebt haben dürften bzw. noch erleben.
Dietrich Bonhoeffer war ein Grenzgänger, der mehr oder weniger seit seinem Engagement in der Ökumene-Bewegung Anfang der 1930er Jahre und spätestens seit Finkenwalde 1935 in innerer Zerrissenheit stand. Denn einerseits wollte er nach wie vor lutherischer Pfarrer sein, seiner Kirche treu bleiben; er wollte Dinge reformieren, was er nicht zuletzt in Finkenwalde tat und dessen Ideen man in “Gemeinsames Leben“ nachlesen kann; andererseits aber stießen besonders seine “geistliche“ Bibelauslegung und die Forderung nach teuer Gnade (vgl. “Nachfolge“) auf heftigen Widerstand. Selbst innerhalb der Bekennenden Kirche wollte niemand soweit gehen wie Bonhoeffer, weshalb er zeitweise über die Gründung einer Freikirche nachdachte.
Abraham Heschel war ein Grenzgänger, der bereits in spannungsgeladenem Umfeld aufwuchs und sich spätestens als Teenager im inneren Konflikt zwischen dem herzlich-emotional-positiven Chassidismus des Baal Schem Tov und dem eher nachdenklichen, Leid-erprobten Chassidismus des Mendel von Kotzk befand. Dieser innere Konflikt breitete sich seit der Studienzeit aus, als Heschel einen Weg zwischen säkular-philosophischen Studien und seinem jüdisch-konservativen Erbe suchte, und kulminierte aufgrund der Auseinandersetzung mit den Propheten der Bibel in seinem Engagement in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King und im Protest gegen den Vietnamkrieg, während der Großteil seines jüdischen Volkes in dafür belächelte.
Rob Bell steht seit Jahren als Grenzgänger immer wieder im offenen Gefecht, v.a. mit dem evangelikalen Christentum. Denn einerseits fühlt er sich dem amerikanischen Evangelikalismus verpflichtet, ist aber andererseits offen für neue Erkenntnisse aus der historischen Jesus-Forschung und dem jüdisch-hebräischen Hintergrund der Bibel, wodurch er immer wieder mit brisanten Thesen die evangelikale Szene aufmischt.
In ähnlicher Weise fühle ich mich ebenfalls oft als Grenzgänger: Innerhalb eines evangelikalen Umfeldes 22-jährig zum Glauben gekommen, bin ich bis heute dankbar für jeden einzelnen Menschen, der mich auf diesem Weg bis hierhin begleitet und geprägt hat und mir Vorbild gewesen ist. Gleichzeitig muß ich aufgrund intensiver Studien mehr und mehr feststellen, daß vieles von dem nicht mehr so trägt oder der Zeit nicht angemessen ist, was ich bislang geglaubt habe und mir mitgegeben worden ist, sei auf Tagungen, Konferenzen, in Predigten oder persönlichen Gesprächen. Zeitweise stand ich an dem Punkt, daß ich “lediglich“ wußte, daß Jesus auch für mich gestorben und auferstanden war - keine genauere Erläuterung über das Wie oder das Warum von Kreuz und Auferstehung (in der Bibel selbst finden wir ja etliche Erklärungen für Kreuz und Auferstehung Jesu, wovon jede theologische Strömung die eine oder die andere Erklärung mehr in den Vordergrund gestellt hat bzw. noch tut). Vieles war offen, ja mußte offen sein, damit ich neue Fundamente legen konnte; ich brauchte einfach Platz, um manche Dinge mit möglichen Konsequenzen weiterdenken zu dürfen. Vieles davon ist nach wie vor nur angerissen oder noch brüchig, ich bekomme Ideen, wie sich manche Dinge zueinander verhalten könnten; mit der Unsicherheit in vielen Bereichen der Theologie habe ich mittlerweile leben gelernt. Natürlich komme ich auch immer wieder zu dem Punkt, daß “alte“ Erkenntnisse mich doch überzeugen; nur habe ich sie dann für mich durchdacht und nicht einfach nur übernommen.
Eine Folge dabei ist nur, daß ich viele, manchmal platte, Aussagen aus evangelikaler Sicht nicht mehr teilen kann (z.B. die Aussage, die Bibel einfach mit Gottes Wort gleichzusetzen); ebenso komme ich aber auch oft nicht mit dem klar, was aus liberal-protestantischer Sicht von der Kanzel oder vom Katheder gepredigt wird. De facto fühle ich mich beiden Lagern nicht (mehr) zugehörig, wodurch ich mich selten wirklich heimisch fühlen kann.
Gott sei Dank gibt es immer mehr von diesen Menschen, die nicht stehen bleiben wollen, die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen und bereit sind, Opfer zu bringen für theologische Innovation im 21. Jahrhundert. Was mich etwas beruhigt in dieser Sache, ist, daß man die Grenzgänger Bonhoeffer und Heschel heute mehr schätzt denn je, ganz zu schweigen von den Verkaufszahlen der Bücher Rob Bells.
Danke für den Mut machenden Beitrag! Finde mich selber in vielen Punkten deiner eigenen Geschichte auch wieder. Be blessed!
AntwortenLöschenGern geschehen. Danke auch für Dein Feedback und den Segen zurück!
AntwortenLöschenUnd Jesus? War der etwa theologischer Mainstream?
AntwortenLöschenMan beachte nur den "überwältigenden" Erfolg seiner ersten Predigt (Lukas 4, 29) oder die Wirkung seiner Reden in Jerusalem (Johannes 10, 31)...
Die christliche Zukunft wird von den Grenzgängern gestaltet. Aber das war in der Vergangenheit auch schon so.
AntwortenLöschenGuter Punkt, Dan. Im Prinzip könnten wir ja noch weiter zu den alttestamentlichen Propheten zurückgehen, die auch immer wieder auf Konfrontation aussein mußten. Jesus hat natürlich tatsächlich theologisch reformiert; das haben die Propheten nur zum Teil.
AntwortenLöschenIch habe an dieser Stelle jetzt nähere und greifbarere Personen aufgegriffen. Wenn man Jesus als Beispiel nimmt, gehen bei vielen ja sofort die Alarm-Glocken an, der sei ja viel mehr als ein Mensch, usw. Das Problem wollte ich umgehen, auch wenn ich ihn in diesen Punkt durchaus ähnlich sehe. Man muß allerdings dazu sagen, daß Jesus sich theologisch sehr nahe an den Pharisärern gehalten hat (freilich bestanden auch signifikante Unterschiede), die gleichzeitig wohl zu jener Zeit auch die größte Religionspartei war. Sie waren die theologisch Innovativen. Wenn ich mir dagegen das evangelikale Nest anschaue, finde ich an vielen Punkt doch eher reaktionäres Verhalten. Also, Jesus gehört sicherlich dazu, aber vielleicht waren di Herausforderungen doch noch etwas anders?! Immerhin wußte er ziemlich genau, wo er hin wollte. Da ist bei mir ja in vieler Hinsicht noch offen und bei den anderen Denkern wohl auch.
Viele Grüße,
Philipp
Ja, Walter, da hast Du recht.
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