Wen will Kirche eigentlich erreichen? Gedanken zu “Denkt orange!“ von Karsten Böhm und Jonathan Rauer

Vor einigen Wochen erhielt ich nach einem Gespräch mit einem der beiden Autoren, Karsten Böhm, das Buch “Denkt orange! Für eine Generation voller Glaube, Hoffnung und Liebe“ (zusammen mit Jonathan Rauer 2013 bei Gerth Medien erschienen). Wir hatten nur kurz über die Grundidee des Buches gesprochen, sodass ich mit einigen Fragezeichen an das Buch heranging, zumal ich über das Cover lediglich entnehmen konnte, dass Kirche und Familie wieder näher zusammenrücken sollten (oder so ähnlich, zumindest nach meinem ersten Eindruck). Umso gespannter ging ich also - zusammen mit meiner Frau Katharina - an die Lektüre. 

Nachdem die beiden Autoren von ihrer ersten Begebenheit mit “orange“ berichtet haben - denn ursprünglich kommt die Idee von Andy Stanleys “Northpoint Community Church“ in Atlanta -, wird's für mich konzeptionell interessant. Und zwar setzt sich orange - logischerweise - aus den Farben gelb und rot zusammen. Kirche als Licht (in) der Welt, so wird u.a. über den Leuchter in der Stiftshütte berichtet, der die Schaubrote als Gottes Gegenwart in Szene setzt, steht für die Farbe gelb. Familie als Ort der Liebe steht dagegen für die Farbe rot. Wenn man nun beides zusammenbringt, Kirche und Familie, erhält man eben die Farbe orange.

An dieser Stelle sei deshalb auf die grundlegende Frage des Buches “Denkt orange!“ hingewiesen: Wieso konzentrieren wir uns in unseren Kirchen primär oder zu allererst auf das kognitiv voll ausgebildete Individuum, sprich den Mann/die Frau ab Anfang 20? Sicher, ist wahrscheinlich eine ganz pragmatische Entscheidung, weil diese auch diejenigen sind, die aktiv die Kirche unterstützen und sagen können, was sie eigentlich wie wollen (mal abgesehen davon, dass auch sie es sind, die die Kirche finanziell tragen). Zudem steht das Individuum seit der Moderne eben im Zentrum des Denkens/Seins, die Schlussfolgerung ist also ganz dem Zeitgeist entsprechend. 

Die Autoren regen aber statt dessen an, die Familie wieder mehr und mehr in den Fokus von Kirche zu nehmen. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene den Kirchen den Rücken kehren, stellt sich nämlich berechtigterweise die Frage, warum Kirche - als Gegenüber von Familie gedacht - an den Glauben heran bzw. einführen soll, wenn doch Kinder einen wesentlich größeren Teil ihrer Zeit mit ihren Familien verbringen (zumindest laut dortig angegebener Statistiken)? 

Soweit ich das bisher anhand der Lektüre des Buches sagen kann, sind es zunächst zwei Folgen für die Art und Weise, was sich laut der Autoren an unserem Konzept von Kirche ändern müsste: Zum einen soll jeder Altersklasse volle Priorität beigemessen werden, sodass das Kinderprogramm nicht lediglich Beschäftigung der Kinder ist, während Eltern den Gottesdienst besuchen können. Vielmehr soll zum anderen bei altersgerechter Anpassung nach Möglichkeit derselbe Inhalt vermittelt werden, sodass die Kirche den Diskussions- und Handlungsstoff bietet, mit dem sich anschließend die ganze Familie auseinandersetzen kann. Denn neben den Inhalten spielt dabei der Aspekt “Beziehung“ eine ganz entscheidende Rolle; so v.a. prägen Eltern ihre Kinder und sind ihnen (idealerweise) Vorbild im Glauben. Natürlich sind sich die Autoren der mittlerweile zahlreichen unterschiedlichen Familienkonstellationen bewusst; aber auch beispielsweise in Patchwork-Familien könne diese Grundidee von orange funktionieren, meinen sie. 

Was bisher nicht thematisiert worden ist, ist das Thema des Single-Daseins. Immer mehr Menschen in Deutschland leben ja allein; und überhaupt gibt es ja beispielsweise die große Schar an Studenten, die jenseits der eigenen Familie in der (Groß-)Stadt lebt und somit meist nicht die sofortige Möglichkeit hat, das in der Kirche Gehörte mit der Familie zu diskutieren usw. Auch wird mit der Idee “orange“ nicht unbedingt explizit etwas über die Alltagstauglichkeit des dadurch wachsenden Glaubens ausgesagt, auch wenn die Familie Gesellschaft im Kleinen widerspiegeln mag. Aber das ist nun auch zunächst nicht der Fokus des Buches. Deshalb bin ich umso gespannter, wie's weitergeht.

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