Abraham J. Heschels "Man's Quest for God" - Teil II: The Person and the Word (21-46)

Statt - wie nach Heschels Ansicht üblich - in einer Untersuchung über das Gebet die Person in den Mittelpunkt zu rücken, liegt ihm daran zu fragen, was passiert, wenn ein Mensch betet (23). Deshalb geht er zunächst vom Zusammentreffen von Person und Wort aus, worin die Grundvoraussetzung von Gebet liege. Worte seien nicht profan, sondern als heilig zu verstehen und besäßen kreative Kraft (25).

Heschel unterscheidet zwei Arten von Gebet: 1. „Act of expression” (27): Ein persönliches Anliegen wird vor Gott gebracht; 2. „Act of empathy (28): Traditionelle Gebete bewußt nachsprechen und nachfühlen. Besonders letzteres sei jedoch mehr als nur automatisches Nachsprechen: „it is an answer of the whole person.” (32) Der Sinn des Mitfühlens traditioneller Worte sei wiederum zweierlei: Zum einen kommuniziere man im Geist der Propheten und Heiligen Israels - Anknüpfung an die Tradition. Zum anderen diene die liturgische Ordnung fester Gebete zu bestimmten Zeiten der Erinnerung, immer wieder in Kontakt zu Gott zu treten (33). Trotzdem dürfe die Ordnung nie über der inneren Hingabe stehen.

Auf genau dieses Dilemma geht Heschel nachfolgend genauer ein: Die Spannung zwischen Kavanah und Halacha, zwischen innerer Hingabe und äußerlich festgelegten Formen (35ff.). Anhand zweier Geschichten versucht er, beide Seiten stark zu machen. Die erste Geschichte (35f.) schildert einen gebildeten Juden, der einem einfachen Hirten traditionelle Gebete beibringen möchte, weil der vorher lediglich von seinem Herzen her spontan zu beten vermocht hat. Da der Hirte aber die gerade erlernten Gebete vergißt, betet er überhaupt nicht mehr. Die Pointe liegt darin, daß Gott den gebildeten Juden ermahnt, den einfachen Hirten wieder zum Beten seiner vermeintlich einfachen Dinge zu ermutigen.

Die zweite Geschichte (36f.), die Heschel anführt, handelt von einem Dorf, dem es an einem Uhrmacher mangelt, der die Genauigkeit der Uhren regelmäßig überprüft. Weil die Uhren sämtlicher Dorfbewohner falsch gehen, entscheidet sich ein Großteil von ihnen dazu, ihre Uhren überhaupt nicht mehr zu nutzen bzw. regelmäßig aufzuziehen. Als endlich ein Uhrmacher das Dorf betritt, wollen sämtliche Bewohner ihren Uhren gewartet haben. Doch leider sind die nicht genutzten Uhren eingerostet und unbrauchbar geworden; nur die regelmäßig Aufgezogenen lassen sich stellen und weiterhin nutzen. So sei es ebenfalls mit dem Gebetsleben, dem es lange Zeit an Kavanah gefehlt hat; die Reaktivierung zum lebendigen Gebet anhand des Erlebens inneren Feuers sei deutlich einfacher.

Insgesamt ordnet Heschel den Worten im Gegensatz zur inneren Haltung (Kavanah) eine untergeordnete Rolle zu, wenn er abschließend von vier Stufen der Frömmigkeit redet, deren höchste Ebene die des Schweigens sei (40ff.). Die höchste Form der Anbetung geschehe bei denjenigen, die mit verschlossenem Mund ihre Gedanken Gott offenbarten (42). Dies ist bei Heschel die eine Form des Schweigens, die Abstinenz vom gesprochenen Wort.

Die andere Form des Schweigens ist die Abstinenz von Sorgen (44), die Heschel wiederum mit der Liturgie verbindet, weil in der Liturgie die individuelle Komponente ausgeblendet werde und der Beter sich dadurch in die ewige Gemeinschaft des jüdischen Volkes einreihe: Der Jude stehe als Mitglied der jüdischen Gemeinschaft vor Gott; Anbetung sei dabei Teilnahme am ewigen Dienst der Seelen aller Tage (46).

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