“Missionale Theologie“ (ab März 2015) von Roland Hardmeier - meine Vorab-Rezension

Mit “Missionale Theologie. Evangelikale auf dem Weg zur Weltverantwortung“ legt Roland Hardmeier, promovierter Missiologie (Universität Südafrika), seinen dritten Forschungsband innerhalb der IGW-Edition beim Neufeld-Verlag vor, der im kommenden März 2015 erschei- nen soll. Ich hatte somit das Privileg, die zwar schon lektorierte, aber noch nicht fertig gesetzte Version zu lesen und hier zu besprechen, wofür ich sehr dankbar bin.

Dem Titel und der Buchrückseite gemäß möchte Hardmeier mit diesem dritten Band eine “umfassende und dennoch leicht verständliche Darstellung der missionalen Theologie“ präsentieren, was ihm - soviel sei schon vorweggenommen - sehr gut gelingt. Denn das sprachliche Niveau wie auch der Anspruch an das Vorwissen des Lesers ist trotz akademischer Tiefe alles andere als komplex; sämtliche Texte, besonders auch die zitierten Quellentexte von Konferenzen und Bekenntnissen, sind allesamt in Deutsch abgedruckt, wodurch der Band geradezu den Charakter einer Einführung in die missionale Theologie besitzt.

Aber nicht nur Form und Sprachniveau sind für den deutschspra- chigen Büchermarkt bereichernd, sondern auch die Tatsache, dass Hardmeiers Buch zur missionalen Theologie tatsächlich eine Lücke schließt. Denn wenn man mal bei Amazon “missionale Theologie“ sucht, findet man lediglich ein Werk aus dem Jahre 2009 von Rainer Ebling und Alfred Meier, das jedoch vergriffen zu sein scheint; alle anderen Bücher mit ähnlichen Titel thematisieren fast ausschließlich die praktischen Seiten missionalen Denkens und weniger Begriff und Herkunft dieser Strömung, zumal die Perspektive all dieser Werke i.d.R. der anglo-amerikanische Raum ist. Gerade Hardmeiers Perspektive auf das Verhältnis von Ökumene zum internationalen Evangelikalismus hat mir nochmal einige neue Insights gegeben.

Aber was macht Hardmeier nun genau in seinem dritten Band? Er entfaltet “die geschichtlichen Meilensteine und die theologischen Eckpunkte der missionalen Theologie“ (Buchrücken), und zwar dezidiert aus der Perspektive des Evangelikalismus, wozu er sich selbst eindeutig zählt. In fünf Kapiteln argumentiert Hardmeier, dass “missional“ kein neues Modewort ist, sondern sich mit dieser Strö- mung ein ganzer Paradigmenwechsel innerhalb der kirchlichen Landschaft vollzieht.

Im ersten einführenden Kapitel zeichnet Hardmeier seine Absichten auf und definiert die Unterschiede zwischen “missional“ und “missio- narisch“; die Rückkehr zur Weltverantwortung ist es für ihn, die für ihn - mit Verweis auf Diskussionen in Büchern und Blogs - den prak- tischen Unterschied macht. Als das der Weltverantwortung bzw. missionalen Theologie zugrunde liegende theologische Konzept nennt Hardmeier die sog. “missio dei“, also dem Gedanken des sendenden Gottes: Wie Gott Seinen Sohn in die “geliebte Welt“ (so der zweite Band Hardmeiers innerhalb der IGW-Edition) gesandt hat, um sie zu retten und wiederherzustellen, so sind auch die Christen als Nachfolger Jesu in die Welt gesandt, um ihr und den Menschen Heil zu bringen. Was dieses Heil bzw. Wiederherstellung bedeutet, hat Hardmeier bereits ausführlich in seinen ersten beiden Bänden “Kirche ist Mission“ und “Geliebte Welt“ thematisiert und geht natür- lich auch im Laufe dieses dritten Bandes darauf ein; kurz gesagt, entfaltet er “Mission“ als ganzheitlichen Sendungsbegriff, in dessen Dienst die Kirche steht. Als weitere zwei Hauptquellen der (evange- likalen) missionalen Theologie rekurriert Hardmeier auf die dem Evangelikalismus entsprungene Bewegung der radikalen Jünger- schaft wie auch die Vision von einem kontextualisierten Evangelium, dessen “Gospel and our Culture Network“ seit den 1980er Jahren in Nordamerika Verbreitung findet.

Mit diesen unterschiedlichen Einflüssen hin zu missionalen Theologie ist auch bereits fast vollständig der Aufbau dieses Werkes genannt. Denn das der missionalen Theologie zugrunde liegende Missio Dei-Konzept ist theologisch nicht wirklich neu, sondern wird (mit Verweis auf Johannes Reimer) bereits 1952 von der ökumenischen Bewegung auf der Weltmissionskonferenz in Willingen zum ersten Mal thematisiert und sprachlich gegriffen, weshalb Hardmeier im zweiten Kapitel dieses Buches die missionstheolgische Entwicklung der ökumenischen Bewegung seit Willingen 1952 nachzeichnet. Als entscheidende Faktoren für ein Neuverständnis von Mission nennt Hardmeier einerseits das Ende der Kolonialepoche mit seinen Missionierungsstrategien und andererseits die “weltweite Ausdeh- nung des Kommunismus“. Mithilfe von überschaubaren, zusammen- fassenden Grafiken erläutert er die Entstehung des missio dei- Konzeptes der ökumenischen Bewegung und deren Schwächen samt erster Gegenbewegungen der Evangelikalen mitsamt des letztlichen Bruches beider voneinander spätestens 1974 mit Lausanne. Au- ßerdem thematisiert Hardmeier die biblischen Grundlagen des sendenden Gottes, worin er dezidiert die Ergebnisse seiner vorherigen Werke zusammenfasst.

Das dritte, weitaus längste Kapitel entfaltet die Entwicklung des evangelikalen Missionsverständnisses von Lausanne 1974 bis hin zur Kapstadt-Erklärung 2010. Besonderes Augenmerk richtet Hardmeier dabei immer wieder auf den stetig zunehmenden Einfluss der 2/3- Welt und der radikalen Evangelikalen, wie er sie nennt - eine Gruppe, nach Lausanne entstanden, mit besonderem Fokus auf an Jesus orientierter Nachfolge. Deutlich wird dabei immer wieder, dass auch die evangelikale Bewegung keine monolithische Strömung darstellt, sondern sehr heterogen zwischen “links und rechts“ agiert und argumentiert, bis in Kapstadt mehr oder minder ein Konsens erzielt wird, der das Evangelium und Mission ganzheitlich versteht und wo explizit von “missional“ die Rede ist.

Der Entstehung des “Gospel and Our Culture Networks“ seit den 1980er Jahren widmet sich Hardmeier im vierten Kapitel und räumt besonders zwei Protagonisten wichtigen Raum ein, Lesslie Newbigin und David Bosch. Während Newbigin v.a. für die Zusammen- gehörigkeit von Kirche und Mission plädiert und daraus konkrete Schlüsse zieht, ist es Bosch, der die Normalität von Paradigmen- wechseln im Missions- und Kirchenverständnis im Zuge der Kirchengeschichte analysiert und propagiert. Anhand von “Missional Church“ aus dem Jahre 1998 (s.u.) untermauert Hardmeier einmal mehr sein Verständnis missionaler Kirche bzw. Theologie als 1. bibisch begründet, 2. ganzheitlich, 3. kontextuell, 4. eschatologisch und 5. für die Praxis - ebenfalls eine Zusammenfassung dessen, was er in vorherigen Veröffentlichungen ausführlich thematisiert hat.

Dass “missional“ tatsächlich mehr als ein Modewort ist und sich gerade genannter Paradigmenwechsel innerhalb der weltweiten Kirche vollzieht, bündelt Hardmeier mit dem fünften und letzten Kapitel. Dieses neue Paradigma kennzeichnet er mit einem Blick für die Armen, kontextuell geprägter Theologie und einem Wandel zur Ganzheitlichkeit: das ganze Evangelium für die ganze Welt, der ganze Jesus zwischen Leben, Tod und Auferstehung; auch ein positives Verhältnis zur Welt trotz der Hoffnung auf die Wiederkehr Christi nennt er erneut, was insgesamt nicht nur inhalte Reflexionen beinhaltet, sondern auch praktische Konsequenzen. Dass dieser Paradigmenwechsel aber nicht nur für die Mission, sondern für die Kirche selbst von höchster Bedeutung ist, bleibt für Hardmeier evident.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass Hardmeier mit diesem Werk ein durchaus wichtiger Wurf gelungen ist, wenn man das Buch für sich allein und in diesem Kontext betrachtet, sodass es sehr gut als deutsche Einführungslektüre zum Thema “missionale Theo- logie“ gelten kann. Es führt gut in die wichtigen Eckpunkte missionaler Theologie ein und führt die historische Entwicklung gut auf. Wenn man nun allerdings bereits die ersten beiden Bände von Hardmeier gelesen hat, wirken viele Stellen geradezu redundant, da der Erkenntniszuwachs gegenüber Vorherigem nicht allzu groß ist; im Prinzip werden dieselbe Punkte aufgezeigt und untermauert, wie schon in den ersten beiden Bänden. Aus didaktischer Sicht ist Hardmeiers “Missionale Theologie“ also sicher gerechtfertigt; ob das Werk aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich sinnvoll ist, vermag ich - als Nicht-Missionswissenschaftler - letztlich nicht zu beurteilen.


Am Rande sei noch erwähnt, dass die “Emerging Church“ en pessant zwar genannt, aber nicht thematisiert wird, als ob sie mehr oder weniger deckungsgleich mit der missionalen Bewegung des Evangelikalismus wäre. Theologisch - zumindest in Deutschland - beinhaltet sie aber mindestens ebenso viele Überschneidungen mit der ökumenischen Bewegung und sprengt in vielem, v.a. hermeneutisch, den Rahmen klassischer evangelikaler Theologie. 

In den nächsten Posts werde ich außerdem noch ein paar weitere Gedanken zu Hardmeiers Theologie (aus seinen drei Bänden) schreiben, was an dieser Stelle aber den Rahmen gesprengt hätte.

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