Missionale Teams neben der klassisch-attraktionalen Gemeinde: “Exponential“ von Dave und Jon Ferguson (Kapitel 7)

Kapitel 7 von “Exponential“ konzentriert sich auf sog. “missionale Teams“, sprich Gruppen jenseits der klassischen Kirche bzw. klassischen Sonntags-Gottes- dienstes; beispielhaft wird zunächst die Story von Shawn erzählt, der statt des Sonntags-Gottesdienstes mit einer immer größer werdenden Gruppe Wasserski fährt und nach und nach sehr subtil christliche Rituale einbaut wie beispiels- weise ein kurzes Gebet vor Beginn, ein kurzer Austausch von persönlichen Problemen und vielleicht noch ein Bibelvers bis dahin, aber auch ganz klassisches gemeinsames Frühstück usw. Noch substantieller ist der Aufwand von Kirsten, die mit ihrer Familie aus dem gutbürgerlichen Vorort in einen sozialen Brennpunkt zieht und dort soziale Aktivitäten und Netzwerke aufbaut, gleichzeitig aber mit ihrer Mutterkirche in Verbindung bleibt.

Hintergrund dieser missionalen Teams ist die Tatsache, dass es eine immer größer werdende Gruppe von Menschen gibt, die keinen Fuß in eine Kirche setzen würden, wie hip auch immer diese sein mag. Statt dessen bewegt man sich als missionales Team (oder Indiviuum) zu den Menschen hin, ganz so, wie Jesus unter den Menschen gelebt hat (freilich steckt dahinter auch das Theologumenon der missio Dei, worüber man hier mehr lesen kann). In Reminiszenz zu Kapitel 6 sprechen Dave und Jon Ferguson von “3C-Gruppen“, die also genau- so wie Hauskreise aus Gottesbegegnung (“celebrate“), Gemeinschaft (“connect“) und praktizierter Nächstenliebe (“contribute“) bestehen bzw. sich dorthin entwickeln.

Im Unterschied zu klassischen Hauskreisen existiert solch eine 3C- Gruppe aber von vornherein zu einem festgelegten Zweck, entweder für eine “massenkompatible“ Tätigkeit wie Wasserski Fahren oder für einen Dienst. So oder so ist aber im nächsten Schritt das Ziel, mit der nach und nach wachsenden Gruppe aus Christen und Nicht-Christen den jeweils anderen Part abzudecken, sprich bei einer gemeinsamen (Fun-) Aktivität auch anderen zu dienen, bei einer Dienst-orientierten Gruppen mit den Menschen in Beziehung zu kommen, denen man dient. In der dritten Phase spielt auch das dritte C (“celebrate“) eine Rolle, also die Beziehung zu Gott, in die beispielsweise durch ein kurzes Gebet oder einen Bibelvers eingeführt werden kann, wie oben gesehen.

Um auch den 3C-Teams das Gen der Multiplikation wiederum zu verinnerlichen, nennen Dave und Jon sieben für sie wichtige Punkte:
1. Glaube, dass der Missions-/Sendungsauftrag Jesu (nach Apg 1,8) tatsächlich erfüllt werden kann;
2. Jeder einzelne Christ soll dazu ordiniert werden, eine Kirche zu gründen;
3. Leute sollen unterrichtet werden, zu gehen statt nur Leute einzuladen;
4. Das konkrete Evangelium für eine bestimmte Gruppe priorisieren und konkret Kirche erst im zweiten Schritt zu denken;
5. 3C-Teams müssen immerzu die Sendung im Blick behalten (“apostolisch“) und dabei unter den Menschen leben (“inkarnatorisch“);
6. Coaching und Training für missionale Gruppen;
7. Sich mit Chaos und Versagen anfreunden.

Mich persönlich hat zunächst einmal Punkt 2 angesprochen, dass man jeden einzelnen Christen als Missionar bzw. Kirchengründer einsegnen bzw. ordinieren soll. Normalerweise wird dieses Privileg einer kleinen Gruppe “zugemutet“, die dann vollzeitlich dient; aber tatsächlich ist doch jeder von uns Christen als Nachfolger Jesu in irgendeiner Form Missionar. Für manche kann dieses Procedere eine regelrechte Freisetzung bedeuten. Tatsächlich kann die Mission natürlich am Arbeitsplatz oder dem sonstigen Umfeld passieren, während hier aber auch - und dem pflichte ich bei - daran gedacht ist, dass prinzipiell jeder solch eine Gruppe starten kann; und schließlich muss man das ja auch nicht einmal allein tun, sondern kann sich passende Mitstreiter dafür suchen.

Neben dem grundsätzlichen Sendungsgedanken und dem inkarnierten Leben unter Menschen, die ich normalerweise nicht über eine klassische Kirche erreichen würde, möchte ich außerdem dem letzten Punkt nochmals Gewicht verleihen: Mein Eindruck ist, dass wir i.d.R. viel zu lange mit Aktionen warten, die jenseits unserer Kirchenmauern passieren, als ob dafür keine Ressourcen zu Verfügung stünden (in Wirklichkeit haben wir meistens Angst, dass uns Leute für unseren Sonntags-Gottesdienst verloren gehen, entweder als Publikum oder als Mitarbeiter). Denn was kann wirklich Schlimmes passieren, sofern man die Leute zu Verantwortungsbewusstsein erzieht, mit ihnen die Sache durchspricht und ihnen jemanden als Coach zur Seite stellt? Und schließlich wollen sicher nicht alle auf einmal gehen.

Dieses Kapitel ist für mich deshalb auch eins der Herzstücke des ganzen Buches, weil es endlich ein Modell schafft,das den Graben zwischen klassischer Kirche und organisch-missionalem Leben miteinander überwindet. Voraussetzung dafür ist, dass alle Gruppen und Veranstaltungen als gleichwertig betrachtet werden. So ist es für mich persönlich genauso Nachfolge, wenn jemand passioniert seinen Beruf ausübt, in dem er/sie vielleicht sogar noch Menschen dient, und sonntags “nur“ zum Gottesdienst kommt (evtl. noch einen Hauskreis hat), während jemand anderes seinen/ihren Sonntag und vielleicht sogar noch Zeit unter der Woche für eine Gruppe investiert, die wiederum den Dienst an anderen im Fokus hat. Solange die Vision der Gemeinde breit genug ist und man dementsprechend quasi nicht gegeneinander arbeitet, habe ich keinerlei Bedenken, sondern sehe vielmehr ein riesiges Potenzial, das mehr und mehr ausgeschöpft werden sollte.

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