Kirche als Durchlauferhitzer: “Missional“ vs. “attraktional“ wirklich haltbar?
Seit einigen Wochen habe ich endlich mal wieder Zeit, mich intensiver mit dem Thema “Kirche“ auseinanderzusetzen. Zahlreiche Gesprä- che, Literatur und meine gegenwärtige Situation bringen mich neu zum Nachdenken darüber, wie Kirche im 21. Jahrhundert auszusehen hat. Die grundlegendste Feststellung sei mal vorausgeschickt: Es gibt sicher nicht die eine richtige Form, wie Kirche konkret auszusehen hat. Und so schätze ich mehr und mehr die unterschiedlichen Orts- gemeinden, wie ich sie beispielsweise hier in Frankfurt vorfinde oder auch sonst erlebt habe. Denn es scheint mir in Zeiten postmoderner Pluralität immer weniger realistisch, dass alle an einem Strang ziehen oder sich gar uniform verhalten müssen. Zu unterschiedlich sind doch die Menschen, und zu unterschiedlich ihre Geschmäcker, die in einer modernen westlichen Kultur wie der Deutschen möglich sind. Man nehme nur das Beispiel Musik und frage sich, wie viele unterschiedliche Musikstile es eigentlich gibt.
Und gleichzeitig sind da für mich bestimmte Punkte, die ich für richtiger erachte als Andere. Ein Paar, über dass ich in den letzten Wochen immer wieder mit Anderen diskutiert habe, ist der vermeint- liche Gegensatz von “missional vs. attraktional“. Während “attrak- tional“ gern mit Kirchen wie Willowcreek oder Hillsong in Verbindung gebracht wird - ein Fokus auf den Gottesdienst, der u.a. dazu instrumentalisiert wird, Nicht-Christen in die Kirche zu ziehen und zu evangelisieren (negativ ausgedrückt) -, behauptet die missionale Szene, man müsse als Kirche unter den Menschen leben und dort Kirche sein oder machen, wie Gott sich in Jesus an diese Welt und die damalige Kultur Israels angepasst habe, um ihr das Evangelium zu bringen. Leider wird dabei manchmal, so ist zumindest mein Eindruck, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und der sonntägliche Gottesdienst grundsätzlich infrage gestellt.
Man verstehe mich hier nicht falsch: Ich bin total dafür, dass man auch dieses klassisch gewordene Gemeinde- und Gottesdienstmodell hinterfragt. Das habe ich selbst eine ganze Zeit lang getan und mich nach Alternativen umgesehen, die in etwa den sog. “organischen“ Gemeinden entsprechen; oder ich habe versucht, meinen Glauben ganz natürlich im Alltag zu leben usw. Und nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass ein klassischer Sonntagsgottesdienst mit Predigt und Musik nicht intrinsisches Merkmal von Kirche ist, man sich somit auch in ganz anderen Formen treffen kann, vielleicht viel informeller, ohne klassische Predigt oder Musik und jenseits des Sonntags.
Was ich allerdings für absolut grundlegend halte, ist irgendeine Art von regelmäßiger Gemeinschaft mit dem bewussten Fokus auf Gott, was ich auch mit “Wortverkündigung“ in Verbindung bringen würde - auf welche Art auch immer. Kirche als “communio sanctorum“, als “Gemeinschaft der Heiligen“, sollte meiner Ansicht nach irgendwo bewusst in Raum und Zeit einen Platz haben, und zwar jenseits eines Zweckes, so gut und ehrenhaft der auch sein mag (man könnte höchstes von innerem Zweck sprechen, weil es um meine eigene Erbauung geht). Jesus zog sich während seines Dienstes immer wieder zurück um zu beten, und wenn er diese Ruhe und den rein auf die Beziehung zu Gott ausgelegten Rückzug brauchte, sollten wir uns daran messen. Dieses Sein in der Gegenwart Gottes scheint mir, ein essentieller Schlüssel zu sein für den Gegenpart, nämlich die Aktion.
Unter “Aktion“ verstehe ich alles, was irgendwie einen äußeren Zweck hat, wie beispielsweise Jesu Krankenheilung oder die Versorgung der Armen. Dietrich Bonhoeffer bezeichnet in seiner Dissertation “Sanctorum Communio“ die Kirche deshalb als “Geist- und Liebes- gemeinschaft“ bzw. als “geistbewegte Familie“ (D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Sozio- logie der Kirche, DBW 1, 2. Aufl. München 2005, S.180), womit er auf genau diese beiden Bereiche abzielt, einerseits auf die Gemeinschaft (mit Selbstzweck), andererseits auf die Gesellschaft (zielorientiert).
Nun, was hat dies genau mit unserer Ausgangsfrage und dem Verhältnis von missional zu attraktional zu tun? Viel, denn es herrscht die Tendenz - und ich habe sehr lange auch so gedacht -, dass “missional“ mit “organisch“ beinahe gleichzusetzen sei und dass eine größere Kirche automatisch “attraktional“ sei müsse. Dem möchte ich an dieser Stelle aber dezidiert widersprechen. Denn kleine Glaubens- zellen können sich sehr wohl nur um sich selbst drehen, und große Kirchen können durchaus den Inkarnationsgedanken, also den des gesandt Seins, leben. Meiner Ansicht nach ist statt einer bestimmten Organisationsform vielmehr die Perspektive der jeweiligen Kirche das Entscheidende. Sicher gibt es Organisationsformen, die das Eine oder das Andere begünstigen mögen. Aber meine These an dieser Stelle lautet, dass es zwar “missional“ und “attraktional“ in bestimm- ten Randformen in der Realität gibt - zum Einen ein organisches Gemeindemodell und zum Anderen die Megachurch mit Sucher-zentrierten Gottesdiensten -; die breite Masse in der Mitte hat aber mindestens das Potenzial, in beide Richtungen zu tendieren, und vielleicht ist sogar eine Mischung aus beidem Guten möglich - denn Willowcreek und Hillsong haben natürlich auch viel Gutes hervor- gebracht! Entscheidend ist für mich, wie gesagt, die Perspektive (und die damit verknüpfte Theologie), die vonseiten der Leiter vermittelt wird. Dies sei paradigmatisch verdeutlicht:
Man stelle sich eine mittelgroße Kirche vor, sagen wir 100 Gottes- dienstbesucher, ein Hauptamtlicher und zahlreiche Ehrenamtliche (aber im Prinzip sind die Zahlen nicht entscheidend). Was wäre nun die attraktionale Perspektive, was die Missionale? Ausschlaggebend ist, welcher Stellenwert dem Gottesdienst und den sonstigen kirch- lichen Veranstaltungen beigemessen wird. Theologisch gesprochen: Dominiert die Kirchenform, und die Mission wird lediglich als Anhängsel verstanden, die programmatisch halt gemacht wird (Ekklesiologie -> Missiologie)? Oder definiert der Sendungsgedanke und -auftrag jedes einzelnen Jesusnachfolgers den Alltag, und der sonntägliche Gottesdienst fungiert als Zurüstung, um die alltägliche Berufung und Mission zu erfüllen, was konkret auch immer damit verbunden sein mag (Missiologie -> Ekklesiologie)? Wenn Ersteres der Fall ist, fließen fast alle Ressourcen in den Gottesdienst, sei es Zeit, Finanzen oder auch der Einsatz von geistlichen Gaben (Charismen). Wenn aber Letzteres der Fall ist, liegt der Fokus darauf, die einzelnen Christen in ihrer Berufung und für ihre Berufung freizusetzen; und erst sekundär wird geschaut, wie viele Ressourcen bestehen, um den Gottesdienst je nach Geschmack zu gestalten. Faktisch können sich beide Gottesdienste optisch sehr ähneln, aber theologisch völlig voneinander unterscheiden.
Das ließe sich natürlich noch viel detaillierter ausarbeiten in alle möglichen Richtungen, und umso mehr freue ich mich über eine rege Diskussion; das war sicher auch nicht mein letztes Wort zu dieser Thematik:-). Mir geht es an dieser Stelle grundlegend erst einmal um die Perspektive, die mir als Christ vermittelt wird und wie dement- sprechend die Kirche organisiert ist: Ist man sehr auf sich selbst fokussiert, sodass man als Christ eigentlich nur auf den Sonntag hin lebt? Oder lebt man für und in der Woche und nutzt den Gottesdienst als “Durchlauferhitzer“, durch den mich Gott neu mit seiner Perspektive fokussieren kann?
Zum Schluss möchte ich noch zwei damit verbundene Irrtümer ausräumen, die meiner Ansicht gerade nicht ein Indiz für Missionalität sind: Zum Einen halte ich es für sehr gefährlich, wenn der Sonntags- gottesdienst nicht (neben der Anbetung und Ehrung Gottes) zum Fokussieren genutzt wird, sondern man meint, mann müsse auch an dieser Stelle noch dienen und tun, weil man als Christ ja schließlich gesandt ist. Hier sind Aktionismus und ggf. Burnout nicht mehr weit weg. Das mag bei bestimmten Personentypen noch ganz gut klappen, und womöglich hat ein Student auch noch mehr Kapazitäten frei für solche Aktionen als jemand, der full-time arbeitet und noch eine Familie hat. Aber im Gros habe ich da meine Bedenken.
Zum Anderen steigt der Grad an Missionalität einer Kirche nicht mit ihrem ehrenamtlichen Engagement, weil man meint - so der Irrtum -, je missionaler, desto weniger Hauptamtliche haben wir. Das halte ich für einen ebenso großen Trugschluss. Vielmehr glaube ich, dass Gott unterschiedliche Berufungen gibt, die Einen stärker innerhalb der Kirche, die Anderen stärker außerhalb. So braucht es gute Theo- logen, die auch für genau diese Tätigkeit freigesetzt werden, damit die Kirche weder weltfremd wird und radikalisiert noch in Liberalität verfällt, weil jeder sein Ding macht, frei nach dem Motto “belonging instead of believing“. Und dann gibt es eben die Leute, die voll ihre Berufung in ihrem Job erleben. Einer meiner guten Freunde ist beispielsweise Arzt und arbeitet gut und gern teils jenseits der 60 Stunden/Woche, in dieser Zeit aber dient er den ihm anvertrauten Menschen mit voller Leidenschaft und betet teils mit ihnen. So jemandem muss ich nicht auch noch ehrenamtliche Tätigkeiten aufdrücken, sondern ich bin vielmehr daran interessiert ihn genau dafür freizusetzen und zu hören, was er so mit Gott in seinem Alltag erlebt; deshalb kann er sich meinetwegen im sonntäglichen Gottesdienst gern zurücklehnen und neu fokussieren.
Viel, viel mehr noch könnte ich dazu sagen, würde aber den Rahmen dieses Posts sprengen. Mir ging es, wie gesagt, erstmal um die Perspektive, wie Kirche sich selbst versteht. Und dann kann eben der Arzt beispielsweise entweder als Konsument betrachtet werden, der sich darum drückt sich einzubringen, oder er wird wahrgenommen in seinem Dienst für Andere, teils 24/7. Ich für meinen Teil empfinde Letzteres als wesentlich organischer gedacht. Oder sollte ich für so jemanden etwa noch extra ein Projekt auf die Beine stellen, in dem er “endlich mal“ seine Gaben zugunsten des Leibes Christi einbringt?
Und gleichzeitig sind da für mich bestimmte Punkte, die ich für richtiger erachte als Andere. Ein Paar, über dass ich in den letzten Wochen immer wieder mit Anderen diskutiert habe, ist der vermeint- liche Gegensatz von “missional vs. attraktional“. Während “attrak- tional“ gern mit Kirchen wie Willowcreek oder Hillsong in Verbindung gebracht wird - ein Fokus auf den Gottesdienst, der u.a. dazu instrumentalisiert wird, Nicht-Christen in die Kirche zu ziehen und zu evangelisieren (negativ ausgedrückt) -, behauptet die missionale Szene, man müsse als Kirche unter den Menschen leben und dort Kirche sein oder machen, wie Gott sich in Jesus an diese Welt und die damalige Kultur Israels angepasst habe, um ihr das Evangelium zu bringen. Leider wird dabei manchmal, so ist zumindest mein Eindruck, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und der sonntägliche Gottesdienst grundsätzlich infrage gestellt.
Man verstehe mich hier nicht falsch: Ich bin total dafür, dass man auch dieses klassisch gewordene Gemeinde- und Gottesdienstmodell hinterfragt. Das habe ich selbst eine ganze Zeit lang getan und mich nach Alternativen umgesehen, die in etwa den sog. “organischen“ Gemeinden entsprechen; oder ich habe versucht, meinen Glauben ganz natürlich im Alltag zu leben usw. Und nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass ein klassischer Sonntagsgottesdienst mit Predigt und Musik nicht intrinsisches Merkmal von Kirche ist, man sich somit auch in ganz anderen Formen treffen kann, vielleicht viel informeller, ohne klassische Predigt oder Musik und jenseits des Sonntags.
Was ich allerdings für absolut grundlegend halte, ist irgendeine Art von regelmäßiger Gemeinschaft mit dem bewussten Fokus auf Gott, was ich auch mit “Wortverkündigung“ in Verbindung bringen würde - auf welche Art auch immer. Kirche als “communio sanctorum“, als “Gemeinschaft der Heiligen“, sollte meiner Ansicht nach irgendwo bewusst in Raum und Zeit einen Platz haben, und zwar jenseits eines Zweckes, so gut und ehrenhaft der auch sein mag (man könnte höchstes von innerem Zweck sprechen, weil es um meine eigene Erbauung geht). Jesus zog sich während seines Dienstes immer wieder zurück um zu beten, und wenn er diese Ruhe und den rein auf die Beziehung zu Gott ausgelegten Rückzug brauchte, sollten wir uns daran messen. Dieses Sein in der Gegenwart Gottes scheint mir, ein essentieller Schlüssel zu sein für den Gegenpart, nämlich die Aktion.
Unter “Aktion“ verstehe ich alles, was irgendwie einen äußeren Zweck hat, wie beispielsweise Jesu Krankenheilung oder die Versorgung der Armen. Dietrich Bonhoeffer bezeichnet in seiner Dissertation “Sanctorum Communio“ die Kirche deshalb als “Geist- und Liebes- gemeinschaft“ bzw. als “geistbewegte Familie“ (D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Sozio- logie der Kirche, DBW 1, 2. Aufl. München 2005, S.180), womit er auf genau diese beiden Bereiche abzielt, einerseits auf die Gemeinschaft (mit Selbstzweck), andererseits auf die Gesellschaft (zielorientiert).
Nun, was hat dies genau mit unserer Ausgangsfrage und dem Verhältnis von missional zu attraktional zu tun? Viel, denn es herrscht die Tendenz - und ich habe sehr lange auch so gedacht -, dass “missional“ mit “organisch“ beinahe gleichzusetzen sei und dass eine größere Kirche automatisch “attraktional“ sei müsse. Dem möchte ich an dieser Stelle aber dezidiert widersprechen. Denn kleine Glaubens- zellen können sich sehr wohl nur um sich selbst drehen, und große Kirchen können durchaus den Inkarnationsgedanken, also den des gesandt Seins, leben. Meiner Ansicht nach ist statt einer bestimmten Organisationsform vielmehr die Perspektive der jeweiligen Kirche das Entscheidende. Sicher gibt es Organisationsformen, die das Eine oder das Andere begünstigen mögen. Aber meine These an dieser Stelle lautet, dass es zwar “missional“ und “attraktional“ in bestimm- ten Randformen in der Realität gibt - zum Einen ein organisches Gemeindemodell und zum Anderen die Megachurch mit Sucher-zentrierten Gottesdiensten -; die breite Masse in der Mitte hat aber mindestens das Potenzial, in beide Richtungen zu tendieren, und vielleicht ist sogar eine Mischung aus beidem Guten möglich - denn Willowcreek und Hillsong haben natürlich auch viel Gutes hervor- gebracht! Entscheidend ist für mich, wie gesagt, die Perspektive (und die damit verknüpfte Theologie), die vonseiten der Leiter vermittelt wird. Dies sei paradigmatisch verdeutlicht:
Man stelle sich eine mittelgroße Kirche vor, sagen wir 100 Gottes- dienstbesucher, ein Hauptamtlicher und zahlreiche Ehrenamtliche (aber im Prinzip sind die Zahlen nicht entscheidend). Was wäre nun die attraktionale Perspektive, was die Missionale? Ausschlaggebend ist, welcher Stellenwert dem Gottesdienst und den sonstigen kirch- lichen Veranstaltungen beigemessen wird. Theologisch gesprochen: Dominiert die Kirchenform, und die Mission wird lediglich als Anhängsel verstanden, die programmatisch halt gemacht wird (Ekklesiologie -> Missiologie)? Oder definiert der Sendungsgedanke und -auftrag jedes einzelnen Jesusnachfolgers den Alltag, und der sonntägliche Gottesdienst fungiert als Zurüstung, um die alltägliche Berufung und Mission zu erfüllen, was konkret auch immer damit verbunden sein mag (Missiologie -> Ekklesiologie)? Wenn Ersteres der Fall ist, fließen fast alle Ressourcen in den Gottesdienst, sei es Zeit, Finanzen oder auch der Einsatz von geistlichen Gaben (Charismen). Wenn aber Letzteres der Fall ist, liegt der Fokus darauf, die einzelnen Christen in ihrer Berufung und für ihre Berufung freizusetzen; und erst sekundär wird geschaut, wie viele Ressourcen bestehen, um den Gottesdienst je nach Geschmack zu gestalten. Faktisch können sich beide Gottesdienste optisch sehr ähneln, aber theologisch völlig voneinander unterscheiden.
Das ließe sich natürlich noch viel detaillierter ausarbeiten in alle möglichen Richtungen, und umso mehr freue ich mich über eine rege Diskussion; das war sicher auch nicht mein letztes Wort zu dieser Thematik:-). Mir geht es an dieser Stelle grundlegend erst einmal um die Perspektive, die mir als Christ vermittelt wird und wie dement- sprechend die Kirche organisiert ist: Ist man sehr auf sich selbst fokussiert, sodass man als Christ eigentlich nur auf den Sonntag hin lebt? Oder lebt man für und in der Woche und nutzt den Gottesdienst als “Durchlauferhitzer“, durch den mich Gott neu mit seiner Perspektive fokussieren kann?
Zum Schluss möchte ich noch zwei damit verbundene Irrtümer ausräumen, die meiner Ansicht gerade nicht ein Indiz für Missionalität sind: Zum Einen halte ich es für sehr gefährlich, wenn der Sonntags- gottesdienst nicht (neben der Anbetung und Ehrung Gottes) zum Fokussieren genutzt wird, sondern man meint, mann müsse auch an dieser Stelle noch dienen und tun, weil man als Christ ja schließlich gesandt ist. Hier sind Aktionismus und ggf. Burnout nicht mehr weit weg. Das mag bei bestimmten Personentypen noch ganz gut klappen, und womöglich hat ein Student auch noch mehr Kapazitäten frei für solche Aktionen als jemand, der full-time arbeitet und noch eine Familie hat. Aber im Gros habe ich da meine Bedenken.
Zum Anderen steigt der Grad an Missionalität einer Kirche nicht mit ihrem ehrenamtlichen Engagement, weil man meint - so der Irrtum -, je missionaler, desto weniger Hauptamtliche haben wir. Das halte ich für einen ebenso großen Trugschluss. Vielmehr glaube ich, dass Gott unterschiedliche Berufungen gibt, die Einen stärker innerhalb der Kirche, die Anderen stärker außerhalb. So braucht es gute Theo- logen, die auch für genau diese Tätigkeit freigesetzt werden, damit die Kirche weder weltfremd wird und radikalisiert noch in Liberalität verfällt, weil jeder sein Ding macht, frei nach dem Motto “belonging instead of believing“. Und dann gibt es eben die Leute, die voll ihre Berufung in ihrem Job erleben. Einer meiner guten Freunde ist beispielsweise Arzt und arbeitet gut und gern teils jenseits der 60 Stunden/Woche, in dieser Zeit aber dient er den ihm anvertrauten Menschen mit voller Leidenschaft und betet teils mit ihnen. So jemandem muss ich nicht auch noch ehrenamtliche Tätigkeiten aufdrücken, sondern ich bin vielmehr daran interessiert ihn genau dafür freizusetzen und zu hören, was er so mit Gott in seinem Alltag erlebt; deshalb kann er sich meinetwegen im sonntäglichen Gottesdienst gern zurücklehnen und neu fokussieren.
Viel, viel mehr noch könnte ich dazu sagen, würde aber den Rahmen dieses Posts sprengen. Mir ging es, wie gesagt, erstmal um die Perspektive, wie Kirche sich selbst versteht. Und dann kann eben der Arzt beispielsweise entweder als Konsument betrachtet werden, der sich darum drückt sich einzubringen, oder er wird wahrgenommen in seinem Dienst für Andere, teils 24/7. Ich für meinen Teil empfinde Letzteres als wesentlich organischer gedacht. Oder sollte ich für so jemanden etwa noch extra ein Projekt auf die Beine stellen, in dem er “endlich mal“ seine Gaben zugunsten des Leibes Christi einbringt?
Kommentare
Kommentar veröffentlichen