Was hat Jesus mit Politik zu tun? Rezension zu John H. Yoders “Die Politik Jesu, Teil 1

Mein Magister ist endlich abgeschlossen, sodass ich es nach Monaten geschafft habe, John Howard Yoders Standardwerk zur christlichen Sozialethik, “Die Politik Jesu“, durchzulesen; die Uni-Prüfungen haben dann doch mehr Verzögerungen hervorgerufen, als ich erhofft hatte. Weil Yoders Buch aber auch nach mittlerweile über vierzig Jahren kaum etwas an seiner Brisanz verloren hat, möchte ich es an dieser Stelle kurz rezensieren und - soviel sei vorweg-genommen - dringend als Lektüre empfehlen. Nicht umsonst wurde das Werk des wohl bekanntesten mennonitischen Theologen des letzten Jahrhunderts von der amerikanischen Zeitschrift “Christianity Today“ auf Platz 5 der 100 wichtigsten theologischen Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt.

So verwundert es nicht, dass der Neufeld Verlag in Kooperation mit dem (mennonitisch- “Theologischen Seminar Bienenberg“ (CH) als “Edition Bienenberg“ 2012 eine deutschsprachige Neuausgabe der 2. Auflage herausgegeben hat, die im englischen Original bereits 1994 publiziert wurde. Nicht nur die Übersetzung, sondern überhaupt das gesamte Äußere ist den Herausgebern sehr gut gelungen; die Umschlaggestaltung wie auch die gesamte Typographie überzeugen.

Aber natürlich ist das Entscheidende der Inhalt, auf den ich an dieser Stelle und in den nächsten Tagen eingehen möchte; bereits die zahlreichen Vorworte (Toby Faix, Fernando Enns, Jürgen Moltmann) zeugen von seiner Gewichtigkeit. Vorab sei noch angemerkt, dass Yoder nicht, wie sonst üblich, eine überarbeitet zweite Auflage vorlegt, sondern vielmehr kommentiert er jedes Kapitel, lässt aber den Text der ersten Auflage so stehen. Dies hat den Vorteil, dass für den Leser sowohl der erste Text wie auch Yoders Umgang mit Feedback dazu direkt nachvollziehbar wird. Ein weiterer Vorteil für den Leser ist die Tatsache, dass - wie eigentlich normal bei englischsprachigen wissenschaftlichen Werken - die Sprache gut verständlich ist, Kompliziertes einfach kommuniziert und überhaupt spezifische Fachdiskussionen in die Fußnoten verbannt sind, die man nicht notwendigerweise rezipieren muss, um Yoders Grundaussagen zu verstehen.

Auch wenn zur Zeit der ersten Auflage noch gar nicht existent, wirkt die ursprüngliche Ausgabe von 1972 an vielen Ecken fast wie eins der wenigen systematisch-theolologischen Werke, das Erkenntnisse der dritten Suche nach dem historischen Jesus und der neuen Paulusperspektive aufgreift. Denn zunächst einmal sucht Yoder nach einem richtigen Verständnis des Neuen Testaments und v.a. der Evangelien, indem er Jesus konsequent in seinem jüdisch-historischen Kontext verortet, auch wenn er selbst exegetisch “nur“ - so schreibt er im Vorwort der zweiten Auflage - “eine Zusammen-fassung der allseits bekannten Forschung jener Zeit“ (S.3) bietet, die er der Strömung des “biblischen Realismus“ zuordnet. Auf dieser Grundlage versucht er, die pazifistischen Inhalte der Bibel neu freizulegen und für die gegenwärtige christliche Gemeinschaft fruchtbar zu machen, ohne etwaige Spannungen aufgrund der Übertragungen einfach zu ignorieren. In zwölf Kapiteln entfaltet Yoder diesen Ansatz, den ich im zweiten Teil der Rezension in den nächsten Tagen ausführlicher darlegen werde.

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