“Geist Gottes - Quelle des Lebens: Grundlagen einer missionalen Pneumatologie“ von Heinrich Christian Rust (Rezension, Teil 1)

Nachdem ich bereits einige sehr positive Rezensionen dazu gelesen hatte, konnte ich es mir nicht nehmen lassen, mich endlich an Heinrich Christian Rusts neues Buch “Geist Gottes - Quelle des Lebens: Grundlagen einer missionalen Pneumatologie“ zu setzen. Dem Titel gemäß soll es eine Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist (= Pneumato- logie) sein, wie sie klassischer- weise der Systematischen Theologie/Dogmatik zugeordnet wird; und tatsächlich reißt Rust viel des dort Diskutierten an, macht es aber durch persönliche Erlebnisse und Geschichten sehr viel lebendiger und auch für weniger theologisch geschulte Menschen anschaulicher, sodass sein Buch tatsächlich als eine Einführung verstanden werden kann.

Der Untertitel “Grundlagen einer missionalen Pneumatologie“ ist übrigens nicht einfach Stilmittel, weil es gerade besonders fancy ist, missional zu sein. Vielmehr berichtet er in der Einführung von seinem Einstieg in die charismatische Szene, macht aber gleichzeitig kritisch darauf aufmerksam, dass die dortige Hoffnung v.a. auf die Erneuerung der einzelnen Person gerichtet (worden) sei (15). Gleicher- maßen stellt er fest, dass die mit dieser Bewegung verbundenen Neugründungen charismatischer Gemeinden weitestgehend dem klassischen (nicht-charismatischen) Gemeindemodell entsprächen (16), die Rust wiederum mit der relativ schnellen Erstarrung auch jener Gemeinden in Verbindung bringt (17ff.). Die These, die er anschließend formuliert, lautet zugespitzt, dass der Heilige Geist ein Geist der Mission sei (22), der gerade deshalb Gemeinden neu belebt und Neues schafft - um der Mission willen (26). Statt “verhängnisvolle[r] Enge der Bewegung“ (28) wegen einseitiger Fokussierung auf die Erneuerung des einzelnen Menschen - was Rust grundsätzlich nicht ablehnt - und wegen “mangelhafte[r] trinitarischer Rückbindung des Geisteswirkens“ (28) entwickelt Rust deshalb eine konsequent trinitarisch-angelegte Pneumatologie mit missionalem Fokus. Zurecht schließt er damit eine Lücke zwischen eben kritisierter charismatischer Bewegung und der missionalen Bewegung, die manchmal auf der anderen Seite vom Pferd fällt und fast wie gemachte Kirche wirkt.

Aufgrund der konsequenten Einbindung der Pneumatologie in die Trinität Gottes wendet Rust sich im ersten von acht Kapiteln zunächst einmal genau jener trinitarischen Grundlegung zu, die von ihrem “theologischen Grundfutter“ her sich gut in die ökumenische Diskussion einfügt, die seit einigen Jahrzehnten auf universitärer Ebene geführt wird. Entgegen der in evangelikal gängigen Sichtweise, dass der Heilige Geist nur in wiedergeborenen Christen wohne (33), betont er auf Grundlage des biblischen Zeugnisses, dass der Heilige Geist bereits bei der Schöpfung aktiv gewesen sei und deshalb nicht nur ein Erlösergeist sei, “der dann folgerichtet seinen Ort auch lediglich unter den Erlösten“ (35) hätte. Vielmehr schlussfolger Rust (38):

“Missionale Pneumatologie spürt das Wirken des Geistes Gottes auch in anderen Kulturen und Religionen auf, um Menschen auf die Quelle dieser Liebe in Jesus Christus hinzuweisen. Zudem ist bei allem Bemühen um eine komparative und dialogische Religions- wissenschaft daran festzuhalten, dass in Jesus Christus die Liebe Gottes erschienen ist und er der Weg zu Vater ist.“

Rust vertritt somit eine inklusivistische Perspektive, denn “[w]enn etwas der Botschaft von Jesus widerspricht, dann kann es nicht vom Geist Gottes stammen.“ (39) In einem kurzen Gang durch die Hebräische Bibel und das Neue Testament thematisiert er die dortigen Wirkungen des Heiligen Geistes: Während es in der vorpfingstlichen Zeit im Wesentlichen Einzelpersonen (Propheten, Priester, Könige) gewesen seien, die den Heiligen Geist empfingen, sei über Jesus als messianischem Träger des Heiligen Geistes seit Pfingsten der Heilige Geist auf das Kollektiv der Gemeinde Jesu gefallen und in ihr präsent (39ff.). In diesem ersten Teil legt Rust damit die tatsächlichen biblischen Grundlagen, wie der Heilige Geist wirkt, was es biblisch mit der Glossolalie (= Zungenreden) auf sich hat und warum beispielsweise ein “Cessationismus“ unbiblisch ist, der die Geistesgaben nach der Generation der Apostel für beendet erklärt (57).

Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang zwei Aspekte: Einerseits sucht Rust danach, seine These zu belegen, dass der Geist Gottes der Geist der Sendung ist, der gleichsam auf die Vollendung hinweist und damit jenseits von Kirche auch in dem gesamten Bereichen des Leben zu suchen ist (56ff.). Andererseits arbeitet Rust die trinitarische Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist aus, die auch eine Anbetung des Heiligen Geistes für machbar hält, weil der Heilige Geist handelndes Subjekt ist und perichoretisch mit dem Vater und dem Sohn verwoben ist, der als dynamis (personelle Kraftquelle) dem Gläubigen und der Gemeinde gegenübersteht (64ff.). Immer wieder ist es der große Tübinger Theologie Jürgen Moltmann, mit dem sich Rust identifiziert und an dem er sich orientiert. Später dazu mehr!

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