Heinrich Christian Rust: Geist Gottes - Quelle des Lebens: Grundlagen einer missionalen Pneumatologie (Rezension, Teil 4)

Mehr und mehr tritt die praktische Seite in Rusts Pneumatologie zutage, wenn er im vierten Kapitel die sehr individuell-persönliche Seite der Wirkungen des Heiligen Geistes von den Anfängen des Christseins bis hin zu den höchsten Heraus- forderungen thematisiert. Anhand von zahlreichen persönlich erlebten Taufzeug- nissen legt Rust den Fokus auf die “eindeutige Korrelation von göttlicher Offenbarung und menschlicher Verantwortung“ (144; nach E. Brunner, Dogmatik III, Zürich 1964, 312), die sich “im Prozess der Buße, der Erfahrung der Rechtfertigung aus Glauben, bei der Taufe“ (145) erweise; natürlich ist auch hier wieder das verbindende Element der Heilige Geist. Er sei es, so Rust, der - oftmals in Krisenzeiten - den Menschen zur Buße und zur Erfahrung der Sünde führt, jedoch immer in Kombination mit dem evangelistischen Wort von Kreuz und Auferstehung Jesu (145ff.). Der Geist lädt Rust zufolge ein, wirbt um den Noch-Nicht-Gläubigen, u.U. gefolgt von Zeichen und Wundern, woraufhin die existentielle Frage der eigenen Umkehr zur Sprache kommt (148ff.).

Diesen Initiationsprozess, klassischerweise als Bekehrung oder Wiedergeburt bezeichnet, verknüpft Rust anschließend zurecht mit der sog. “Rechtfertigung aus Glauben“, die für den gläubig werdenden Menschen erfahrbar wird (154ff.). Mit großer theologischer Freiheit reißt er die unterschiedlichen Aspekte (Buße, Bekehrung, Rechtfertigung, Taufe) an, präferiert als Baptist zwar die Erwachsenentaufe, ist sich aber auch dessen bewusst, dass es hier nicht den einen richtigen Weg gibt, der soteriologisch entscheidend ist. Gleichermaßen wichtig sind ihm dabei allerdings die beiden Seiten der Geistwirkung, wie sie sich schon bei Jesus selbst zeigen: Einerseits die Rechtfertigung anhand der Kreuzigung Jesu, andererseits “die Gnade der Neugeburt als Hoffnung durch die Einsetzung in das Erbe auf die Zukunft Gottes“ (157), die Rust mit der Auferstehung Jesu verbindet.

Nach Buße/Bekehrung und Wassertaufe thematisiert Rust das Phänomen der Geistestaufe, die oftmals vom sog. “Zugenbeten“/ “Sprachengebet“ begleitet werde (161ff.). Auch wenn er innerhalb der verschiedenen Strömungen zwischen Erweckungs- und Heiligungs- bewegung, klassischer Pfingstbewegung und sog. “Dritter Welle“ wiederum an eine große theologische Freiheit jenseits von einseitiger Engstirnigkeit appelliert, bekennt sich Rust zu der Geistestaufe als zweitem Phänomen neben Bekehrung und Wassertaufe, gefolgt von wiederholter Erfüllung mit dem Heiligen Geist, auch wenn hier manches theologisch spekulativ und leicht mechanisch wirkt (z.B. die Idee verschiedener Taufarten wie Wassertaufe, Bußtaufe, Blutstaufe, Leidenstaufe und Geistestaufe; 166). Im Sinne der Positionierung des “Mühlheimer Verbandes Evangelischer Freikirchen in Deutschland“ und  in (zumindest impliziter) Anlehnung an John Wimber bekennt sich Rust zu einer Offenheit der Folgen der Geistestaufe, da “mit dem Empfang der Gabe des Heiligen Geistes auch die Anlage für alle Geistesgaben in jedem wiedergeborenen und geistgetauften Christen angelegt ist.“ (170)

Dennoch schenkt Rust der Glossolalie (= Sprachengebet) besondere Aufmerksamkeit und überansprucht den Bibeltext dabei vielleicht etwas, wenn er zunächst im paulinischen Bericht neben dem Vorteil der Prophetie für die Gemeinde (vgl. 1 Kor 14) v.a. die Selbster- bauung der Glossolalie hervorhebt, sie dann aber doch nicht als Charakteristikum für die Geistestaufe ansieht, sondern vielmehr das “vom Geist gewirkte Zeugnis an den Geist des Menschen, dass er ein Kind Gottes ist (Röm 8,14-17)“ (172); nicht, dass die Überlegungen grundsätzlich falsch wären, nur wirken sie hier und auch anderswo teils etwas unausgewogen bis willkürlich und für den Leser nicht zwingend nachvollziehbar, so auch die nochmalige Erwähnung des Geistes zur Initiation zur Mission (173).

Zuletzt erwähnt Rust das für ihn sich wiederholende Erlebnis der Erfüllung mit dem Heiligen Geist als “personale Gegenwart Gottes“ (175) in v.a. besonderen Herausforderungen und Leiderfahrungen. Mit Moltmann vergleicht er dies mit der im Tempel präsenten Shekhina (= Wohnen/Anwesenheit Gottes; 176), wobei er auch Gemeinschaftsaspekt samt integrierter gegenseitiger Unterordnung statt hierarchischem Anspruchsdenken anspricht (178f.).

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